Ihr möchtet gerne gute Verpflegung in Schule oder Kindergarten mitgestalten aber ihr wisst nicht wie oder es klappt nicht so recht? Damit seid ihr nicht alleine! Denn gerade bei so individuellen Themen wie Ernährung ist es nicht ganz einfach, Veränderung anzustoßen und neue Ideen umzusetzen. Dazu kommt, dass beim Schulessen viele Akteure mit unterschiedlichen Ansprüchen und Bedürfnissen zusammentreffen.
Aus der Praxis kennen wir viele Beispiele, die motivierte Menschen mit guten, neuen Ideen frustrieren:
Eine engagierte Person, die sich sehr mit den Themen Gesundheit und Nachhaltigkeit beschäftigt, arbeitet an einer Schule. Ihrer Meinung nach gibt es dort im alltäglichen Verpflegungsangebot viel zu viel Fleisch und zu wenige vegetarische Speisen. Sie ist überzeugt, dass sich die Kinder damit an einen hohen Fleischkonsum gewöhnen. Aus ihrer Sicht wäre es eine gute Lösung, dass zumindest an einem Tag in der Woche nur Vegetarisches angeboten wird. Sie wendet sich an die Schulleitung und schlägt diese Idee vor.
Die Schulleitung hat nichts dagegen, solange die Küche das gut umsetzt. So geht die Forderung nach einem „fleischfreien Tag“ pro Woche an die Küchenleitung. Diese hört von der Unzufriedenheit bzgl. einem zu hohen Fleischanteil zum ersten Mal. Sie fühlt sich überrannt, denn die aktuellen Fleischspeisen sind derzeit beliebter als die vegetarischen. Sie ist überzeugt, dass sich viele Kinder bei einem “fleischfreien Tag” pro Woche ihr Essen von dem nahen Imbissstand holen würden und lehnt die Idee daher ab, ohne den Hintergrund je erfahren zu haben. Die Idee verläuft ins Nichts. Andere beteiligte Personen(gruppen) wie z.B. die Schüler:innen, Eltern oder das Küchenpersonal wurden nicht miteinbezogen.
Was könnte besser laufen?
Es wird häufig ein sehr konkreter Schritt gefordert und damit werden andere konfrontiert. Dabei wird oftmals vergessen: um Menschen mit an Bord zu holen und für eine Veränderung zu motivieren, muss allen Beteiligten die zugrundeliegende große Vision oder Motivation bewusst sein. Zudem müssen Möglichkeiten gegeben werden, dass diese sich mit ihren Meinungen und Bedürfnissen beteiligen können.
Um ablehnende Reaktionen auf anstehende Veränderungen möglichst zu vermeiden und gemeinsam gute Ideen Realität werden zu lassen, gibt es daher einen Schlüssel: er lautet „Partizipation“.
Was heißt Partizipation?
Der Begriff “Partizipation” ist gleichbedeutend mit “Beteiligung”, “Teilnahme”, “Mitwirkung” und “Mitbestimmung”. Darunter versteht man das Teilhaben an Prozessen und Entscheidungen. (Quelle)
Wie kann Partizipation in der Praxis gelingen?
Diese Schritte unterstützen ein partizipatives Miteinander auf dem Weg von einem Wunsch nach Veränderung bis zum Ziel:
Schritt 1: Stakeholder finden und ins Boot holen
Fragt euch zuerst: Wer sind die Personen, Gruppen oder Institutionen, die von Veränderungen der Schul- und Kindergartenverpflegung betroffen sind oder die ein Interesse an diesem Thema haben? Vielleicht gibt es darunter Menschen, die sich auch (ähnliche) Veränderungen wünschen und sich aktiv beteiligen möchten?
Stakeholder sind relevante Personen und Personengruppen. Dies können beispielsweise sein: Schüler:innen, Betreiber:in und Personal der Schulverpflegung, Pädagog:innen, Eltern, Entscheidungsträger:innen der Bildungseinrichtung oder der Gemeinde, etc.
Schritt 2: Kommt ins Gespräch und betrachtet gemeinsam die aktuelle Situation
Erfolgreichen Veränderungsprozessen geht eine genaue Betrachtung der Ist-Situation voraus. Denn oft gibt es Anliegen der Betroffenen, die erst durch bewusstes „Hinschauen“ und Zuhören aufgespürt werden.
Wie könnt ihr eine gemeinsame Betrachtung der aktuellen Situation mit den beteiligten Personen(gruppen) gestalten?
- Im direkten, persönlichen Gespräch erhält man besonders viel Information und außerdem ein gutes Gefühl füreinander. Zudem findet man leichter andere engagierte Menschen, die den Prozess auch aktiv mittragen wollen.
- Durch Methoden der Befragung, z.B. mit einem Fragebogen, können unterschiedliche Meinungen einfach sichtbar und vergleichbar gemacht werden.
Nach der Auswertung der gesammelten Erkenntnisse ist schnell klar, wo aktuell die Stärken liegen und wo es noch Potenzial und Wünsche nach Verbesserung gibt. Außerdem kennt man nun die relevanten Personen(gruppen) näher und weiß, wer sich bei den kommenden Schritten wie beteiligen möchte.
Auch unser Selbst-Check für Gemeinden und Verpfleger kann euch hierbei unterstützen.
Zeit für einen Perspektivenwechsel
Sich in die Lage des anderen zu versetzen und zuzuhören lohnt sich: Das gegenseitige Verständnis wächst und ein wertschätzendes Miteinander auf Augenhöhe, Respekt und Vertrauen entstehen. Gleichzeitig steigt auf diesem Weg auch die Chance für eigene Anliegen.
Schritt 3: Findet eure Vision und eure Ziele
An den Erkenntnissen der Ist-Analyse gilt es nun anzusetzen: Findet eure gemeinsame Vision für euer Schulessen. Formuliert einen klaren „Visionssatz” und konkrete Ziele. Dies sorgt auch dafür, dass die Gruppe „aktiviert“ und motiviert ist für die Umsetzung.
Schritt 4: Konkrete Schritte der Umsetzung definieren
Das gemeinsame Nachdenken und Diskutieren beginnt. Findet Lösungsideen und definiert konkrete Schritte, wie ihr eure Ziele erreichen könnt. Dabei sind alle Ideen willkommen.
Schritt 5: Ablehnung hören und Widerstände abbauen
Es ist sehr wichtig, Widerständen und Einwänden Raum zu geben. Denn diese können helfen, Lösungsideen zu finden oder Lösungswege zu verbessern.
Für unser obiges Beispiel wäre der berechtigte Einwand der Küchenleitung, dass die aktuellen Angebote mit Fleisch derzeit beliebter sind als die vegetarischen.
Was wären mögliche Lösungen? Könnte man z.B. die Schüler:innen befragen, welche vegetarischen Speisen sie gerne essen?
Am „Runden Tisch“
Bei einer gleichberechtigten Zusammenkunft aller Betroffenen an einem runden Tisch geht es besser voran! Sammelt dabei alle eure Ergebnisse z.B. auf Plakaten:
- Herausforderungen und Fragen (Unzufriedenheit)
- Großes gemeinsames Ziel (Vision)
- Lösungsideen (konkrete Schritte)
- Bedenken und Einwände (Widerstand)
Der runde Tisch wird idealerweise von einer möglichst unbetroffenen Person moderiert. Ziel ist, dass alle zu Wort kommen. Eine Anleitung zu dieser Methode findet ihr hier.
Schritt 6: Zuständigkeiten und nächste Schritte klären
Nach einem solchen partizipativen Prozess gibt es im optimalen Fall einen Blumenstrauß an vielversprechenden Maßnahmen. Nun gilt es noch, jeder Idee eine motivierte Person zuzuordnen, die sich für die Umsetzung zuständig erklärt, und die unmittelbaren, nächste Schritte festzulegen.
Schritt 7: Umsetzung beginnen und Fortschritte überprüfen
Die Betroffenen fühlen sich gehört und sind in Entscheidungsprozesse eingebunden – das fördert die Identifikation und die innere Motivation als Basis für eine erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen. In regelmäßigen Treffen sollten nun die Fortschritte überprüft, Feedback-Schleifen ermöglicht und weitere Schritte gesetzt werden. Eine regelmäßige Kommunikation im „Netzwerk“ unterstützt die Zufriedenheit nachhaltig und vereinfacht zukünftige Veränderungsprozesse, da eine gemeinsame Basis bereits besteht.
Ihr wollt noch mehr?
Hilfreiche Infos und Praxisbeispiele findet ihr auch in unserem Info-Baustein „Faires Miteinander“
Mehr über Partizipation und Methoden gibt es hier.
Im „Mir schmeckts“ Projekt begleitet ZUKUNFT ESSEN Gemeinden bei der Ist-Analyse, der Moderation am runden Tisch und bei der Umsetzung. Mehr zu diesem Angebot hier.
Bilder von Clara Vasilica’s Images (Titelbild), Unsplash Ivan Ragozin und ZUKUNFT ESSEN Flora Fellner
Kategorie: Allgemein
Veröffentlicht am: 1. Juli 2024