Ein gutes tägliches Schulessen leistet viel für unsere Kinder. Besonders für jene aus sozioökonomisch benachteiligten, von Armut betroffene Familien. Denn diese Kinder haben nicht nur langfristig schlechtere Bildungschancen, sondern auch schlechtere Gesundheitschancen. Viele dieser Kinder leiden unter Ernährungsarmut. Sie haben keine gut gefüllte Jausenbox von zu Hause mit – und auch kein Geld, um sich Essen zu kaufen. Da kann es am Schulbuffet passieren, dass um übrig Gebliebenes gebettelt wird. Auch bei uns in Österreich.
Was heißt „sozioökonomisch benachteiligt“?
Der „Sozioökonomische Status“ ist ein Begriff aus der Sozialwissenschaft. Er beschreibt die Lebensumstände eines Menschen. „Sozioökonomisch benachteiligt“ bedeutet, dass ein Mensch weniger Zugang zu wichtigen Mitteln hat – wie beispielsweise Einkommen, Bildung oder Gesundheit.
Ernährungsarmut gibt es auch in Österreich!
Die Berichte und Reaktionen gingen Anfang Mai viral, als die Gesundheit Österreich GmbH ihre Studie zur Ernährungsarmut präsentierte. Das sind die erschütternden Ergebnisse der für Österreich repräsentativen Befragung von 2000 Personen:
- 12 Prozent der Bevölkerung, das sind rund 1,1 Millionen Menschen, sind von mittlerer und/oder schwerer materieller Ernährungsarmut betroffen. Das bedeutet, dass diese Menschen aufgrund finanzieller Engpässe nur unzureichende Mengen und Qualitäten an Lebensmitteln kaufen können.
- 4,6 Prozent der Bevölkerung, das sind rund 420.000 Personen, sind von schwerer Ernährungsarmut betroffen. Das heißt, dass sie schon Mahlzeiten ausfallen lassen mussten oder teilweise einen ganzen Tag lang nichts zu essen hatten.
- Im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen geben 12,9 Prozent der Befragten an, dass sie sich in den letzten zwölf Monaten sorgten, dass das eigene Kind nicht ausreichend zu essen hat.
- Zumindest ein Viertel der Gesamtbevölkerung kennt jemanden, die oder der von einem Mangel an Nahrungsmitteln betroffen ist.
Besonders von Ernährungsarmut betroffen sind laut der Erhebung jüngere Personen, Personen mit schlechtem Gesundheitszustand und niedrigem formalen Bildungsstand, arbeitssuchende Menschen bzw. Personen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen arbeitslos sind.
Arme Kinder – kranke Kinder …
Es ist ein Teufelskreis, dem schwer zu entkommen ist. Dass Kinder aus armutsbetroffenen Familien schlechtere Chancen für Gesundheit haben, ist wissenschaftlich vielfach belegt. Auch Befragungen der letzten Jahre über die Ärztekammern in Zusammenarbeit mit der Volkshilfe Österreich hat aus den tagtäglichen Erfahrungen von Österreichs Ärzt:innen ergeben: Kinder, die in Armut leben, sind öfter krank. Sie zeigen vermehrt Entwicklungsstörungen, erkranken häufiger psychisch oder psychosomatisch und neigen vermehrt zu Adipositas und anderen Folgeerkrankungen wie Diabetes oder Haltungsschäden, bis hin zu stärkerer Suizidgefährdung. Und die Spirale setzt sich weiter fort …
Worauf warten wir noch?
Wir haben mit einer täglichen, guten Schulverpflegung nicht nur ein wirksames Instrument direkt die Gesundheit der Kinder zu fördern, sondern auch ein Mittel Ernährungsarmut zu bekämpfen und gesundheitliche Chancengleichheit für alle unsere Kinder zu verbessern!
Kostenfreies Schulessen ist eine Investition in die Zukunft!
Schweden zeigt es schon lange vor: Dort wurde seit 1940 gratis Mittagessen schrittweise an Volksschulen eingeführt. Eine wissenschaftliche Auswertung dieser pionierhaften Maßnahmen ergab, dass dies zu höherer Bildung und mehr Lebenseinkommen beiträgt – bei Kindern aus ärmeren Familien war dieser Effekt noch stärker ausgeprägt.
Eine aktuelle Studie aus den USA kann uns auch in Hinblick auf die enorme Adipositasproblematik optimistisch stimmen: Darin zeigen sich Hinweise, dass durch Programme mit kostenfreien Schulmahlzeiten bei sozioökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen auch die Zunahme der Übergewichtigkeit etwas eingedämmt werden kann. Das ist sehr bemerkenswert, weil wirklich wirksame Strategien bis dato schwer zu finden sind.
Nicht zu vergessen: Die Verpflegung in Kinderbetreuungs- bzw. schulischen Einrichtungen hat auch eine wichtige pädagogische Dimension. Durch gemeinsames Essen und Kennenlernen vielfältiger Speisen, werden ausgewogene Vorlieben sowie Ernährungs- und Gesundheitskompetenzen gefördert. Gerade darin herrscht in Österreich auch deutlicher Handlungsbedarf – auch hier sind benachteiligte Menschen besonders betroffen (siehe Ergebnisbericht zur Ernährungskompetenz in Österreich, 2023 bzw. in einer Präsentation auch hier).
Nationaler Aktionsplan – Let’s go!
Eine erste Umsetzung von gratis Schulessen gibt es in Österreich bereits in Wien (mehr dazu auch in unserem Blogbeitrag „Ein warmes Mittagessen für jedes Kind“).
Die großen Pläne und Forderungen stehen allerdings noch geduldig am Papier. So wurde Ende 2023 im Ministerrat der “Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Garantie für Kinder” im EU-weiten Kampf gegen Kinderarmut beschlossen. Darin findet sich unter anderem das Ziel, dass bis 2030 zumindest eine gesundheitsfördernde Mahlzeit pro Tag in allen Schulen kostenlos bereitgestellt werden soll. (Link zur Presseaussendung vom 20.12.2023)
„Expertinnen und Experten sehen vor allem Maßnahmen auf Verhältnisebene, wie eine kostenlose Gemeinschaftsverpflegung, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sowie die Förderung demokratischer Supermärkte in Kombination mit Verhaltensmaßnahmen, wie der Erhöhung der Ernährungskompetenz, als zentral.
Im Sinne von Health in All Policies stellt Ernährungsarmut ein Problem in Österreich dar, das durch intersektorale Anstrengung nachhaltig gelöst werden kann.“
Fazit der Autor:innen der Gesundheit Österreich in ihrem Bericht „Ernährungsarmut in Österreich als Barriere für eine gesunde und klimafreundliche Ernährung: Status quo und Handlungsoptionen.“
Mehr zum Thema Adipositas-Prävention im Kindes- und Jugendalter und die Rolle des Schulessens?
Hört in diesem Podcast interessante Expert:innen-Beiträge u.a. mit Anna Strobach und Manuel Schätzer.
Weitere Informationen zum Handlungsbedarf in Österreichs Schulen:
Im ZUKUNFT ESSEN-Blogbeitrag Brennpunkt Schulessen: An jeder dritten Sekundarschule kein Mittagstisch
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Kategorie: Allgemein
Veröffentlicht am: 17. Mai 2024